FILMSAMSTAG

Filmsamstag am 15. Juli 2006

Babylon Mitte, Studiokino, Rosa Luxemburg Str.30, 10178 Berlin


Werkschau mit Filmen von Werner Nekes, ausgesucht von Ulrike Pfeiffer

Samstag 15.7.06 18 Uhr + 20.15, ein langer Abend
Sonntag 16.7.06 20 Uhr

Zu Gast: Werner Nekes und Ulrike Pfeiffer

Im Juli haben wir die Filmemacherin Ulrike Pfeiffer gebeten, ein Programm mit langen und kurzen
Filmen von Werner Nekes auszuwählen. Drei Programme zeigen wir am Samstag und Sonntag. Wir freuen uns, daß Werner Nekes und Ulrike Pfeiffer bei unserem Filmsamstag und am Sonntag zu Gast sein werden. (Bärbel Freund)

Werner Nekes lernte ich zur Ausstellung „Schaulust" im Altonaer Museum in Hamburg kennen. In dieser Ausstellung wurde ein großer Teil seiner umfangreichen Sammlung kinematographischer Objekte aus sechs Jahrhunderten präsentiert. Das Metropolis Kino in Hamburg zeigte begleitend dazu eine Werkschau seiner Filme. Die Filme sind, wie auch die Objekte selbst, ein ABC für Filminteressierte, denn es geht in seiner Ausstellung wie auch in seinen Filmen immer darum, Wahrnehmung bewußter zu machen.
Werner Nekes beschäftigt sich mit Wahrnehmungsapparaturen und sieht die Ästhetik bestimmt durch
die Technik, die man anwendet. Seine Filme sind bewußt künstlerisch. Sie spielen mit der Trägheit der Wahrnehmung, ohne die der Film als Bewegungsillusion nicht existieren würde. Das Wissen um den Moment zwischen den Bildern bestimmt seine Filme, die durch die Wahl der Sujets auch etwas ganz Eigenes sind, etwas Persönliches, Filme, die im familiären Umfeld spielen, in Lieblingslandschaften, im Lieblingslicht. Werner Nekes hat fast alle seine, über 100 Filme, unabhängig vom großen Filmgeschäft selbst und mit geringen finanziellen Mitteln produziert, vielleicht ein wenig im Sinne der Philosophie von Stan Brakhage, der einmal gesagt hat: „Ein neuer Filmklebekitt bedeutet mir mehr, als hundert Kritiker mir sagen können, die noch nie einen Film gemacht haben.” (Ulrike Pfeiffer)


Samstag 15.7. 18 Uhr

Abbandono 35min - 16mm Farbe - 1966-70. Für und mit Dore O.
Gurtrug Nr.1 12min - 16mm Farbe – 1967
Knoten 30min - 16mm Farbe - 1974
jüm-jüm 10min - 16mm Farbe - 1967. Gemeinsam mit Dore O.
Beuys 11min - 16mm Farbe - 1981. Gemeinsam mit Dore O.

Samstag 15.7. 20.15 Uhr

T-WO-MEN 90min - 16mm Farbe - 1972
mit Dore O. und der Sängerin Geeske Hof-Helmers

Sonntag 16.7. 20 Uhr

Johnny Flash 80min - 35mm Farbe - 1987
mit Helge Schneider, Andreas Kunze, Marianne Traub u.a.


Abbandono 35min 16mm Farbe 1966-1970. Für und mit Dore O.
Bewußt unbewußte Bilder. Manchmal sieht es so aus, als habe Werner Nekes die Kamera zur Seite gestellt und vergessen sie auszuschalten. Man hat das Gefühl, als beobachte man etwas Intimes, das nicht für einen bestimmt ist. Dann gibt es Bilder in der Natur und das Wetter, das man fühlt und sieht. Sommer und Winter. Helle, überstrahlte Schneelandschaften, weiche, unscharfe Bilder. Dore im Pelz-
mantel, die wie ein Bär herumstreicht und sich den Mantel schützend über den Kopf hält, die plötz-
lich auftaucht und im überbelichteten Nichts verschwindet. Eine grüne Wiese in einer hügeligen Berglandschaft und Dore, die sich den Berg herunterrollen läßt. Landschaftsbilder ohne Horizont, die einen durch eine schräg gehaltene Kamera die Orientierung verlieren lassen. Dann sieht man die Landschaft, wie durch einen Guckkasten, violett getönte Bilder, und zwischendurch ein weißes Pony im Schnee, das sich als Negativbild entpuppt.

Gurtrug Nr. 1 12min 16mm Farbe 1967
Nekes: „26 Personen und 2 Pferde bewegen sich auf der Grasfläche = Leinwandfläche und drücken sich dabei selbst aus. Wiederholt wird dieses Bild durch eine scheinbare Störung unterbrochen, die der Betrachter zu gerne enträtseln möchte."

Knoten 30min 16mm Farbe stumm 1974
Mosaikartige, rosarote Teilchen, dahinter schemenhafte Bilder. Die bunten Teilchen scheinen realer zu sein als die Darstellung ‚dahinter‘, die zeitlupenartig auftaucht und wieder verschwindet, erkennbar ist oder nicht oder nur fragmentarisch erkennbar, und dann überraschend Schönes erahnen läßt. Etwas bewegt sich wie hinter einem Vorhang aus kleinen rosa Pünktchen, die flimmern oder rutschen oder zittern, die immer in Bewegung sind. Ein wenig wirkt es wie reflektierendes Wasser, aber eher noch wie Licht, das durch belaubte Bäume gleitet, die jedem Windhauch ausgesetzt sind. Ist es ein einziges Bild oder sind es Tausende? Dahinter sieht man Menschen, die mit etwas beschäftigt sind. Sie beschäftigen sich mit ihrem Dasein. Ein Dasein als Körper, der ein Bild geworden ist, ein Bein, eine Linie, der Hals und ein Kopf darauf. Ein Mann, eine Frau, Kinder. Was machen sie? Was macht die Zeit? Sind es Sekunden oder Bruchteile davon, geht es um Jahrhunderte? Es ist ein poetischer Film, auch wenn vielleicht ‚nur‘ ein Konzept dahinter steckt.

jüm-jüm 10min 16mm Farbe 1967. Gemeinsam mit der Filmmacherin und Malerin Dore O.
Dore O. schaukelt vor ihrem gemalten Bild. Diese wirkliche Bewegung wird durch eine Vier-Bild-Montage und Oben-Unten-Vertauschung filmisch noch einmal in Bewegung versetzt. Die klaren, optimistischen Farben und die Freude an der Bewegung lassen den Film zu einem vergnüglichen Erlebnis werden.

Beuys 11min 16mm Farbe 1981. Gemeinsam mit Dore O.
Joseph Beuys spricht vor einem zugemauerten Fenster gegen die Wand. Wir sehen ihn von hinten. Er spricht über Wahrnehmungskategorien, menschliche Kreativitätspotentiale, über in Zukunft noch zu entwickelnde Sinne und vom ästhetischen Wollen. Der Film endet nach 11 Minuten mit dem Auslaufen der 16mm Filmrolle.

T-WO-MEN 90min 16mm Farbe 1972. Mit Dore O. und der Sängerin Geeske Hof-Helmers
T-WO-MEN ist in fünf unterschiedlich strukturierte Teile gegliedert mit einer jeweils eigenen emotionalen Atmosphäre. Es geht um die Liebe zwischen zwei Frauen und um das, was zwischen den Bildern ist.
Der Film ist spielerisch im Sinne von erfinderisch mit einem reichen optischen Vokabular. Manche Bilder berauschen, andere verlangen Abstand. Die komplizierten Bildkonstruktionen entsprechen den „Tonbergen, die sich aus sich hervorschieben und selbst reproduzieren, wie bei einer Mehrfach-
belichtung.“

Johnny Flash 80min 35mm Farbe 1987. Mit Helge Schneider, Andreas Kunze, Marianne Traub u.a.
„Eine Ruhrgebietsmusikgroteske als Hommage an Karl Valentin und Liesl Karlstadt. Der Mülheimer Musik-Komiker Helge Schneider, der zu mehreren Filmen von Werner Nekes die Filmmusik komponierte, spielt hier den Jürgen Potzkoten, der als Johnny Flash Karriere machen möchte. Die Musikerkollegen, die mit ihm um einen Platz im Musikgeschäft in Konkurrenz stehen, werden ebenfalls von ihm gespielt. Andreas Kunze spielt sowohl den Manager als auch die Mutter von Johnny Flash und andere Rollen.“
Wir sehen in diesem Film Helge Schneider nicht nur als genialen Musiker, sondern auch als Schauspiel-
künstler.

Texte zu den Filmen: Ulrike Pfeiffer

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jüm-jüm 1967