FILMSAMSTAG

Filmsamstag am 12. November 2005

Babylon-Mitte, Studiokino, Rosa-Luxemburg-Str.30, 10178 Berlin, 18 Uhr


4 frühe, erste Filme

Gala Ulrike Pfeiffer 1983 16mm Farbe / sw 20min
Maximiliana - Die widerrechtliche Ausübung der Astronomie
Peter Schamoni 1966 35mm 12min Mit Max Ernst
Gestern Nacht und heute Morgen Stephan Settele 1991 21min Video auf 16mm
Der wunderbare Mandarin Harry Rag 1985-87 16mm sw / Farbe 20min
Musik:Béla Bartók Mit Mike Hentz, Andrea Jaenicke

Ulrike Pfeiffer und Stephan Settele sind am 12.November unsere Gäste.


Ulrike Pfeiffer, Harry Rag und ich haben in den frühen 80er Jahren an der Filmakademie in Berlin studiert. Ich zeige zwei Filme, die in dieser Zeit dort, in dem ummauerten West-Berlin, entstanden sind. Gala von Ulrike Pfeiffer ist ein Film über eine Party, in Schwarzweiß gedreht mit ein paar Farbstrichen. Der wunderbare Mandarin von Harry Rag ist ein Stummfilm mit der Musik von Béla Bartók. Beides sind Filme, die ich gerne wiedersehen möchte. Stephan Settele kam etwas später, Ende der 80er Jahre, an die DFFB. Von ihm zeige ich Gestern Nacht und heute Morgen, sein schönes Videotagebuch.

Zu diesen drei Filmen gesellt sich ein zwölfminütiger Dokumentarfilm von Peter Schamoni,
Maximiliana – Die widerrechtliche Ausübung der Astronomie, in dem der Maler Max Ernst mit seinem wunderbaren rheinischen Dialekt das Leben des deutschen Astronomen Ernst Wilhelm Leberecht Tempel (1821-1889) erzählt. Seine Sätze haben immer noch nach Jahren schöne Fernwirkung auf mich. „Er hatte Genie, aber kein Diplom. Von der ganzen Welt verkannt – der Tempel hatte Genie, aber kein Diplom. Er hatte Genie, aber kein Diplom. Hatte Genie... Ernst Wilhelm Leberecht Tempel hatte das Pech in einem Land zur Welt zu kommen, wo ohne ein Diplom gar nichts zu machen ist... Ein Mann ohne Diplom, selbst wenn er im Ausland lebte, hatte kein Recht Sterne zu entdecken, Planeten zu entdecken, Kometen zu entdecken, Nebelflecken zu entdecken. Er hatte einfach sein Maul zu halten..." Max Ernst widmet ihm sein in einer Art Geheimschrift verfaßtes Buch Maximiliana. Peter Schamoni hat mir erzählt, daß Max Ernst diesen Film sehr mochte, und daß sie seitdem befreundet waren. (Bärbel Freund)

„Gala“ ist ein Film über eine Party, Anfang der 80er Jahre in Berlin. Er wurde in einer einzigen Nacht gedreht. Darsteller sind die Gäste der Party. Eigentlich ist es ein dokumentarischer Film, denn alles, was in dieser Nacht passierte, war nicht geplant. Dazwischengeschnitten sind Fahrten durch das nächtliche Berlin und ein Feuerwerk. Der Film wurde in Schwarzweiß gedreht. In der Nachbearbeitung am Schnei-
detisch habe ich Farbaufnahmen eines traditionellen Tanzturniers, sowie einige Leuchtreklamen, als zweiten Filmstreifen über den ersten gelegt, so daß die hellen Bildbereiche der schwarzweißen Bilder, durch die leuchtend bunten Stoffe der Kleider des Tanzturniers, wie farbig angepinselt wirken. Party, Tanzturnier und Leuchtreklamen verschmelzen zu einem Bild, das durch die Kombination von Farbe und Schwarzweiß, anders als bei einer gefilmten Doppelbelichtung zur Wirkung kommt. (Ulrike Pfeiffer)

„Gestern Nacht und heute Morgen“ – Abgesehen von einem kurzen Abstecher nach Ostdeutschland,
sind die in der Woche der Vereinigung der Deutschen entstandenen Aufnahmen mehr oder weniger Bezirksfilmerei – auch das Brandenburger Tor liegt im Wohnbezirk von "ihm", der sich und seine Umgebung filmt, kommentiert und auch versehentlich löscht. Der tägliche Angelpunkt bestand darin,
daß ich mich während einer Woche beim Einschlafen und Aufwachen mit einer Kaufhauskamera selbst gefilmt habe. Doch so viel treuherzige Authentizität produziert andererseits den heftigen Wunsch, unter Ausnützung der biologischen Rhythmen auch gehörig schwindeln zu dürfen." (Stephan Settele)

„Der wunderbare Mandarin“ – Zu dem Zeitpunkt, als ich den Mandarin drehen wollte, so ‘83, kamen gerade MTV in Berlin raus und Videoclips und dies und das, und ich dachte, das wäre schon eine ziemlich verrückte Sache, so eine Art Videoclip zu einer klassischen Musik zu machen. Das sollte der Abschluß des Arbeitens von Bildern auf Musik sein und das Größte. Das Optimum wäre das Bebildern eines klassischen Werks. Ich habe mit Super-8 gedreht, was dann aufgeblasen wurde auf 16mm und dadurch einen extremen S/W-Charakter bekam. Es gibt gar kein Grau in dem Film. Durch Handkamera und bewegtes Licht, wenig Licht, entstehen diese Zwischenräume, diese ungeplanten Zwischenräume,
und ich hab dann versucht, daß da soviel vibriert, daß ich ein bißchen von der Spannung dieser klas-
sischen Musik hinkriege, also daß ich, auch wenn es nur annähernd ist, an die Qualität rankomme. Mit gut ausgeleuchteten 16mm-Bildern hätte der Film immer, in jeder Weise, der Musik hinterhergehangen. Es wär alles zu sehen gewesen – irgendwie kein Geheimnis. (Harry Rag)

Version untereinander.jpg