FILMSAMSTAG

Filmsamstag am 24. Januar 2004

Babylon-Mitte, Rosa-Luxemburg Str. 30, 10178 Berlin, 20 Uhr


ULMER SCHULE: Filme von Reinhard Kahn / Michel Leiner

Auf der Suche nach dem Glück 1966/67 18min 35mm
Frage doch das Meer 1967/68 8min 35mm
Klaus 1968 16min 35mm
Das Blumenmädchen 1968 4min 35mm
Gardemädchen 1968 5min 35mm
Team Delphin 1969/70 9min 35mm
Der Verlust der Mitte 1983/84 11min 35mm
Pas de deux für Anfänger 1985/86 15min 35mm
Etwas aus Glas 1995 15min 35mm

vorgestellt von Peter Nau, Reinhard Kahn und Michel Leiner


Reinhard Kahn, den Filme von Vesely, Cocteau und de Sica beeindruckt hatten, ging
1964 an die Filmabteilung der Ulmer Hochschule für Gestaltung. Zuvor hatte er drei Jahre
lang Fotografik an der Werkkunstschule in Darmstadt studiert, wo der Atlas-Filmverleih
seine Plakate entwerfen ließ und die Studenten viele der Filme sehen konnten bevor sie
in den Verleih kamen. Die Ulmer Lehrer waren Detten Schleiermacher, Edgar Reitz und
Alexander Kluge.
Nach Kameraarbeiten Kahns bei Kurzfilmen von Claudia von Alemann und Klaus Werner
entstand Kahn/ Leiners Kurzfilm "Auf der Suche nach dem Glück" (1966/67), dem bis
Ende 68 sieben weitere Kurzfilme der beiden folgten. Von diesen Ulmer Miniaturen zeigen
wir fünf. Zusammen mit den anderen Absolventen Jeanine Meerapfel, Ingeborg Nödinger,
Rolf Scheimeister, Klaus Werner und Marion Zemann, sowie dem Kameramann Pavel
Schnabel (Absolvent FAMU, Prag) gingen Kahn und Leiner 1969 nach Frankfurt/ Main und
gründeten dort die Epplwoi Motion Pictures, deren Produktion "Team Delphin" auf unserem
Programm steht. Es folgen "Der Verlust der Mitte" (Experimentalfilm 1983/84), sowie zwei
Filme, für die nur Reinhard Kahn als Regisseur zeichnete: "Pas de deux für Anfänger"
(kurzer Stummfilm, 1985/86) und "Etwas aus Glas" (1995).

Peter NAU


Frage doch das Meer mit grauem H 300br.jpg
Frage doch das Meer


Filme von Reinhard Kahn / Michel Leiner

Sie zählten zu jener Schar junger Enthusiasten, denen unsere ehrwürdigen Filmhochschulen
die Möglichkeit geboten haben, der Welt ein Schnippchen zu schlagen. Fern von der Trübsal
und Düsternis, die aus dem fortwährenden Aufschub des praktischen Handelns für die Studie-
renden entspringen können, gingen Lehre und Filmemachen für diese wenigen Auserlesenen
von Anfang an Hand in Hand. Die Idee der persönlichen Freiheit wurde dabei von den besagten Akademien, Hochschulen, Instituten nicht nur nicht eingeschränkt, sondern so sehr gefördert,
daß sie sowohl Großes als auch viel Absurdes gezeitigt haben; daß der buntscheckige Reichtum
unseres jüngeren Films wie auch viel Absonderung, Isolierung und unfruchtbare Eigenköpfigkeit
ihnen zu danken und zur Last zu legen sind. Ulm 1958, Berlin 1966, München 1967: die Stunde
war gekommen, eine Probe auf das Mögliche zu machen, einen Versuch zu unternehmen, ob
wirklich nur Interessen derber und handgreiflicher Art oder bis zu einem gewissen Grade auch
die reinsten und geistigsten sich in der damaligen BRD als organisierbar erweisen würden.
Es gelang.
Danken wir also dem Staat, diesem strengen und wirklichen Wesen, daß er zu Zeiten, als es
ihm noch besser ging als heute, den Freimut und die Klugheit besaß, sich einer nach mensch-
lichem Ermessen zwar aussichtslosen, doch immerhin regelwidrigen Existenz voll Unwirklichkeit
und hoher Kinderei, wie der Filmemacher sie darstellt, zu nähern und sie ins Offizielle zu heben.
Freuen wir uns darauf, an diesem Filmsamstag etwas davon mitzubekommen, wie die „Ulmer“
Reinhard Kahn und Michel Leiner zunächst auf unkenntliche, abenteuerliche, aufsässige,
träumerisch-verspielte Weise entdeckten, daß Filme nicht nur sozial genossen, sondern auch
schon sozial empfangen, konzipiert werden.

Peter NAU