FILMSAMSTAG

Filmsamstag am 11. Oktober 2003

Filmkunsthaus Babylon, Studiokino


KHANEH-YE DUST KOJAST
(Wo ist das Haus meines Freundes?) von Abbas Kiarostami
Iran 1987 Farbe 85 Min. 16mm (Deutsche Fassung)


Wie erscheint 'Realität' bei Kiarostami?
Jeder der Hauptdarsteller, so sieht es Youssef Ishaghpour, hat eine Obsession, ein Begehren, das ihn vorantreibt und hinter dem er herrennt. Der Film begleitet ihn dabei und hält zugleich einen gewissen Abstand zu diesem 'Phantasma' – in der Absicht, den Lauf des Lebens 'rein' zu erfassen und nicht einer alles beherrschenden Fiktion unterzuordnen. "Für Mamad, Ghassem oder Sabzian geht es darum, dass etwas fehlt – um ein Manko im Dasein. Auch der Kamera mangelt es an 'Realem', ist sie doch dem Gegebenen verpflichtet, ihm gegenüber. Als Doppel der Wirklichkeit unterscheidet sich das Bild von dieser Wirklichkeit – diese ist ja selbst schon in sich gespalten oder zerklüftet. Von daher der Wahrheitsgehalt eines Filmemachens, dem dieser Anteil des Falschen im Realen und in der Beziehung zum Kino bewusst ist, und das gerade deshalb darauf hoffen kann, die Realität zu rekonstituieren, sie sich selbst zurückzugeben." (Youssef Ishaghpour, "Le réel, face et pile. Le cinéma d'Abbas Kiarostami", Tours 2001, p. 34)
"Wo ist das Haus meines Freundes?" ist kein Kinderfilm, sondern ein Blick auf die Erwachsenenwelt aus der Perspektive des Kindes. Für Kiarostami, der die Filmabteilung des 'Instituts zur intellektuellen Entwicklung der Kinder und jungen Erwachsenen' gründete, kam es schon in seinen kurzen und längeren Filmen aus den 70er Jahren auf die kleine, fast nichtige Begebenheit an. Das ist der Stoff, der die Idee eingibt: aus ihm und aus ihr sind seine Filme auf ganz wundersame Weise gefügt – in einer nur ihm eigenen Legierung von Innerem und Äusserem, Dokumentarischem und Fiktivem, Sichtbarem und Unsichtbarem.
Johannes Beringer