FILMSAMSTAG

Filmsamstag am 10. Mai 2003

Filmkunsthaus Babylon Rosa Luxemburg Str.30 10178 Berlin, 20 Uhr


Weiße Reise Werner Schroeter Fr/Schweiz 1980 52min 16mm
Darsteller: Harald Vogl, Jim Auwae, Margareth Clémenti, Maria Schneider


Werner Schroeter drehte diesen Film direkt nach „Neapolitanische Geschwister“. Er handelt von der Liebe und den Abenteuern zweier Matrosen in den großen Welthäfen. Der ursprüngliche Plan mit großem Budget an den Originalschauplätzen zu drehen scheiterte an der Finanzierung. Stattdessen gibt es jetzt die auf Leinwände gemalten Motive, vor denen die Darsteller agieren, eine Villa als Studio und den Regisseur hinter der Kamera. Diese Rückbesinnung auf die Arbeitsbedingungen seiner Anfänge haben ein anarchistisches Glücksgefühl und Erfindungsreichtum im Gefolge. Er zoomt, figuriert seine Sequen-
zen in Tableaus, die Akteure gestikulieren wie in der Oper oder spielen mehrere Rollen, ganz nach dem Vorbild des Volkstheaters. Es dominiert die Lust an der Improvisation. Eine sanfte Geisterstimme kommentiert die Handlung. Die Malerei ist gegenständlich und naiv, stellt Szenen und Dinge dar, wie
sie in den Häusern und auf den Märkten der einfachen und armen Leute zu finden sind. Klassische Musik und Schlager begleiten uns auf dieser rasanten, zauberhaften Weltreise. Mit dieser völlig künstlichen Herangehensweise ist Werner Schroeter nicht weit entfernt von Hollywood und dem Spiel mit der Transparenz.
Méliès und Sternberg sind ebenso Paten wie das Melodram und der Fotoroman. Er reflektiert die Mythen des Kinos ohne den berüchtigten intellektuellen Zeigefinger. „Weiße Reise“ ist das, was es ist.

Karl Heil