FILMSAMSTAG

Filmsamstag am 17. Januar 1998

Filmkunsthaus Babylon 21Uhr



Blue Velvet Matthias Weiß 1970 57' 35mm
Early Abstractions Harry Smith 1941-57 22' 16mm

1976 machte Renate Sami zusammen mit Matthias Weiß den ungewöhnlichen, irgendwie geheimnisvollen Spielfilm JACKPOT, der in Kolumbien spielt, eine Art Roadmovie der 70er Jahre – im Januar möchten wir Ihnen nun BLUE VELVET vorstellen, den Matthias Weiß 1970 drehte – auch ein Roadmovie, aber ganz anderer Art, wir fahren zurück in die Anfänge der 70er Jahre ...

"Reisen. Autofahren. Unterwegs sein. – Ein großes Gefühl, frei von Zufälligkeiten. Anfahren, schalten, bremsen, orientieren, woher, wohin: es sackt ins Bedeutungslose zurück.
Von Bedeutung ist allein der Zustand, der eine Bewegung ist: das Reisen. Matthias Weiß hat ihn in seinem Film beschrieben, mit der großen, einfachen Struktur, die schwer zu machen ist. Der Abstand, den Weiß vom technischen Brimborium des Filmemachens hält, wird zur wohltuenden Distanz. "Blue Velvet' ist daher exemplarisch schön: der Film selbst ist unterwegs, nicht weniger, nicht mehr. Der Film wird angekündigt als "Dokumentation einer Reise durch die Bundesrepublik mit befreundeten Rausch-
gifthändlern" München – Frankfurt – Hamburg. Eine Routinereise, undramatisch, keine Zwischenfälle unterbrechen oder stören den Genuß. Bläulicher Schnee auf Winterwiesen, Nachtbläue, blauer Asphalt, die hellblauen Hinweisschilder auf der Autobahn, graublaues Wasser in der Lübecker Bucht: Die Farbe sorgt für Abstand; lange Einstellungen lenken die Aufmerksamkeit auf die Schönheit und Bedeutung des Moments. Der keines dramatischen Wertes bedarf, um mitteilenswert zu sein. Eile würde zerstören." Dieter Kuhlbrodt 1970 Auszug

Harry Smith (1923-92) gehört zu den inspiriertesten des abstrakten und animierten Films. Über 30 Jahre arbeitete Smith an seinen Filmen im Geheimen wie ein Alchemist. Seine Filme sind von außergewöhn-
licher Energie, ein wahrer Rausch an Farbe, Rhythmus und Bewegung und voll fantastischer Wesen.
Er wuchs als Sohn okkultistisch interessierter Eltern in Portland, Oregon auf. So kam er früh mit der Alchemie, dem Schamanismus der amerikanischen Indianer, aber auch der Malerei in Kontakt. Seine ersten Filme zwischen 1939 und 46 waren direkt auf Celluloid gemalt, um 1950 waren seine Abstraktio-
nen in einem komplizierten Schichtverfahren "gedruckt". Die späteren Filme entwickelten sich immer mehr zu Trickfilmen mit Papier-Druck-Collagen auf denen surreale Motive fantastische Tänze vollbringen. Der von der Filmmakers Coop in New York zusammengestellte Film "Early Abstractions" wurde von Smith mit unterschiedlicher Musik unterlegt ... Bildfolge und Ton stimmten jedes Mal hervorragend überein.
"Ich wünschte mir, daß Harry Smith Filme das ganze Jahr über täglich in einem Kino in meiner Nähe laufen würden." Matthias Weiß